[579]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.97

frei von persönlichen Rücksichten seine Meinung ausspricht. Er hat denselben leider nicht dem Drucke übergeben, und erst 1726 wurde er von Hanschius und neuerdings von Frisch publiziert.

Als Beweggrund zur Abfassung seiner Schrift gibt Kepler die Aufforderung vieler seiner Freunde an, welche meinten, er sei vor Allem dazu berufen, seine Meinung über die Kalenderfrage auszusprechen, nachdem Tycho de Brahe, der seine Arbeiten bei den astronomischen Studien benützt hatte, sich im Allgemeinen mit der Reform einverstanden erklärt habe.


Er lautet: "Ein Gespräch von der Reformation des alten Kalenders, worauf die Correctio Gregoriana gegründet, wie wahr sie zuetreffe, item ob diejenige Stände des heiligen Römischen Reichs und benachbarte Königreiche, wölliche das Gregorianum Calendarium noch nit angenommen, iren alten julianischen Calender für sich selbst in einem oder mehr puncten verändern, oder lieber das Calendarim Gregorianum auch annehmen, oder entlich gar bei dem alten verpleiben wollen. Allerhand Fürschlage zur fürhabenden Correction dienstlich, und was auff alle Fälle beiderseitz streitende Partheien geistlich und weltlich, sowol auch die Mathematici vernünftiglich drein zu reden oder bey der sachen zu bedenkhen hätten. Gestellt und zugericht denjenigen zum underricht, wöllichen das Calendarium amptshalben obligt, und doch nit Weil haben, alle scribenten in dieser Materi durchzulauffen, und die privat affecte von der Warheit zu underscheiden, durch einen Liebhaber der Wahrheit." Der Titel in der Red. Hansch. ist eine Übersetzung desselben bis zum Satze: "Allerhand Fürschläge" und in Klammern ist dann hinzugefügt: "a Johanne Keplero Mathematico Caesareo", was darauf schließen lässt, dass im Manuskripte der Verfasser gar nicht genannt wird. Sowohl der Quot;Liebhaber der Wahrheit", als das Verschweigen des Namens in der Red. Hansch. zeigt, dass Kepler die Schrift anonym herausgeben wollte, und damit stimmt wohl nicht ganz die Vermutung von Frisch, dass er sie ausgearbeitet habe, um die Reichsstände in Regensburg zu einer Vereinigung in der Kalendersache zu bewegen — immerhin aber wird sie den Zweck gehabt haben, Keplers Tätigkeit auf dem Reichstage 1613 vorzuarbeiten, d. h. den Standpunkt der Frage auseinander zulegen. In Regensburg wollte nämlich Kaiser Mathias eine Vereinbarung erzielen und zu dem Behufe berief er Kepler dahin. (Im Codex Vindob. 10704 findet sich fol. 84a das Ausschreiben zum Reichstage mit der Kanzlei - Notiz: "Citatur ad Comitia Ratisbonensia in negocio Calendarii Gregoriani a Mathia Imperatore Joh. Keplerus Mathematicus".) Kepler, welcher hiezu von den Ständen in Linz Urlaub erhalten hatte, arbeitete auch Propositionen respektive die Kalender-Vorlage des Kaisers aus, welche sich bei Frisch (a. a. O. IV. pag. 58) ebenfalls aus dem Entwurfe im Manuskripte Pulcavense abgedruckt findet. Die Schrift führt den Titel: "Was die Römische kayserliche Majestät an die drey Churfürsten Augsburgischer Confession belangend das Kalenderwesen fruchtbarlich gelangen lassen möchten".