[577]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.95

dass sie durch die schweigsame Annahme der Reform bei den Katholiken Spott einernten würden; jetzt aber kümmert ihn nur die gegebene Sachlage und diese ist so, dass Deutschland von dem übrigen Europa in der Zeitrechnung getrennt ist, und dass nun die Annahme des Kalenders ohne Störung spielend leicht vor sich gehen könnte. Die Trennung aber kann einzig aufgehoben werden wenn sich die Protestanten fügen, denn das könnten sie denn doch den Katholiken nicht zumuten, dass sie wieder ihre unstreitbar bessere Zeitrechnung aufgeben sollten; durch eine dritte Form aber ginge dies ebenso wenig, denn durch eine solche könnte und müsste erst recht Verwirrung entstehen, auch dürfte sich nicht leicht jemand zur Aufstellung einer solchen finden lassen. Kepler erinnert daran, dass durch 150 Jahre man die Korrektur verlangte, und wie schmählich es sei, dass Deutschland, welches durch frühere astronomische Arbeiten so wesentlich den Weg für sie gebahnt hatte, nun sich von ihr fernhält. Für die Fürsten und Astronomen aber ist es nützlich, wenn sie den Widerstand aufgeben; für erstere aus nachbarlichen Rücksichten und weil dann wieder mehr Klarheit in die politische Situation kommen kann; auch mögen dieselben wohl bedenken, dass einst ein weniger friedlich gesinnter Kaiser, als es Rudolf ist, ihren Widerstand gegen den Kalender als casus belli auffassen könnte — es sei doch besser, dieser Gefahr vorzubeugen, ehe sie drohend emporsteigt, denn ist dies einmal geschehen, wird die Nachgiebigkeit als Niederlage erscheinen. Und gar die Astronomen sollten sich nicht länger sträuben, denn keiner könnte die größere Vollkommenheit des neuen Kalenders bestreiten; wollte man ihm aber sagen, dass denselben durch die Nichtannahme kein Schaden erwächst, so erwidert er darauf, dass die Astronomie nicht bloß auf die Nützlichkeit zu sehen habe, sondern auch auf Schönheit und Vollkommenheit, welcher in der Natur der Zahlen und Größen selber gelegen sei. Und wenn nun schon Gefahr für die Protestanten bei der Annahme der Reform vorhanden gewesen wäre, so besteht sie doch sicherlich jetzt nicht mehr. Sie haben durch fast zwanzig Jahre dem Papste gegenüber ihre Freiheit gewahrt, und er muss wohl jetzt schon einsehen, dass sie die alte Zeitrechnung beibehalten könnten, und dass, wenn sie dieselbe nun so verbessern, wie er sie verbessert hat, sie dies nicht gezwungen tun, sondern weil sie es so für gut und nützlich halten.