66Kaltenbrunner.[548]

5. Von jeher hat die Kirche an den mittleren Bewegungen festgehalten, warum soll sie jetzt davon abweichen, zumal da aus den heiligen Schriften des alten Bundes sich erweisen lässt, dass Gott auch die Juden nur an die mittleren nicht an die wirklichen Bewegungen im Zeremoniengesetze gebunden habe.

Für die zyklische Rechnung spricht die' Autorität vieler gelehrter Männer, welche über die Zeitrechnung geschrieben haben. Dies sind im Wesentlichen die Gründe, welche Clavius für die zyklische Rechnung anführt, und es wird wohl kaum bestritten werden können, dass die ersten vier Punkte ihre volle Berechtigung haben. Die beiden letzteren allerdings sind schwach, namentlich der sechste, denn die von Clavius angeführten Gewährsmänner, Campanus, Paulus von Middelburg und Johannes Stöffler sprechen eben über den Kalender, wie er vorlag; bei letzterem habe ich nachgewiesen, dass er der astronomischen Rechnung gegenüber der zyklischen in seinen Vorschlägen für die Kalenderreform das Wort sprach. [1]

Indem sich also Clavius, gestützt auf diese Gründe, auf die Seite der zyklischen Rechnung stellt, lässt er natürlich dem Maestlin nicht gelten, wenn er an der Hand astronomischer Tafeln dem Kalender einzelne Fehler nachweist. Ja er gesteht selbst zu, dass das Äquinoktium vernum zur Jetztzeit meist auf den 20. März fällt, und dass — wie Maestlin behauptet hatte — sich dasselbe nach 1600 noch mehr vom 21. entfernen werde. Aber er stellt dem gegenüber, dass es doch immer und immer wieder darauf zurückkehren werde, und dass derlei Schwankungen bei der ungleichen Dauer des tropischen Jahres durchaus nicht vermieden werden können. Und hier greift nun Clavius jenen Satz des Maestlin heraus, dass er selbst nicht der Ansicht sei, als ob astronomische Subtilitäten Wert und Bedeutung für die Zeitrechnung hätten, aber in Folge der hochtönenden Sprache des Papstes habe er sie herangezogen. Clavius bestreitet das letztere, und indem er erklärt und beweist, wie der Ausdruck "Kalendarium perpetuum" und der Satz "aequatio est perfecta, ut nulli mutationi sit obnoxia" zu verstehen seien, wirft er alle Argumente Maestlins über den Haufen. Letzterer Satz war von der Modifikation der Schaltregel ausgesprochen worden,


1 Vorgeschichte der Gregorianischen Kalenderreform, pag. 391 u. ff.