[547]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.65

3. Bis jetzt sind noch keine astronomische Tafeln verfertigt worden, durch welche auf alle Zeiten hin und ohne allen Irrtum die Bewegungen der Gestirne bestimmt werden können; der sprechendste Beweis hiefür ist, dass die Ptolomäischen Tafeln durch die Alphonsinischen, und diese wieder durch die Prutenischen verdrängt worden sind. Wer aber bürgt uns dafür, dass letztere die richtigen sind, da es jetzt schon viele Astronomen gibt, die den Alphonsinischen den Vorzug geben, und da ihnen namentlich durch Tycho de Brahe viele Fehler nachgewiesen worden sind? Wer nun wollte so leichtsinnig und vermessen sein, die Kirche an so trügerische und unsichere Angaben der Astronomen zu binden? Gewiss niemand, er müsste denn auch zugleich wollen,dass die Kirche bald den einen, bald den andern Tafeln folgen solle, je nachdem die einen oder anderen in größerem Einklang mit den Himmelsbewegungen und den gerade herrschenden Theorien über dieselben gefunden werden. Dies würde denn doch nichts anderes sein, als das Schwanken der Zeitrechnung in Permanenz erklären. [1]

4. Aber wenn auch die genauesten und untrüglichsten Tafeln bestünden, so hätte das ängstliche Beobachten von Stunden und Stundenteilen keinen Sinn, denn durch die Verschiedenheit der Ortslagen würde alle Mühe vereitelt werden. Denn in Folge derselben kann es sich ereignen, dass ein Vollmond im Osten bereits als Ostergrenze tauglich ist, dagegen im Westen. noch vor dem Äquinoktium vernum steht, wodurch sich eine Differenz von 4 bis 5 Wochen zwischen beiden Osteransätzen ergeben müsste, abgesehen davon, dass noch öfter ein Unterschied von 8 Tagen eintreten würde, so oft nämlich Vollmond im Westen spät am Samstag eintritt, in welchem Falle er im Osten auf den Sonntag fällt. Einer Verschiedenheit der Osterfeier aber steht der oberste Grundsatz des Nizänischen Osterkanons gegenüber, abgesehen davon, dass dadurch unausbleiblich Verwirrung in den weltlichen Dingen entstehen müsste.


1 Dabei verwahrt sich Clavius nachdrücklich dagegen, als wollte er und seine Freunde die Arbeiten der Astronomen für unnütz erklären, denn stets habe er es für erhaben und höchst lobenswert gehalten, mit Bienenfleiß die Bewegungen der Gestirne zu erforschen.