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trotzdem dies in der Bulle Gregors behauptet worden sei. Ersteres gesteht Clavius ehrlich und offen ein, und kommt da auf die Frage, die uns schon mehrmals begegnete, nämlich, ob zyklische oder ob astronomische Rechnung für den Kalender tauglich sei? Sobald man ersterer den Vorzug gebe, — und Maestlin habe das Gegenteil nicht bewiesen — so könne man dem Gregorianischen Kalender aus Detailfehlern keinen Vorwurf machen, und ein Angriff kann nur dann gerechtfertigt erscheinen, wenn man nachweisen wollte, dass in einem anders eingerichteten zyklischen Kalender weniger Gattungen von Fehlern und diese überhaupt seltener eintreten können. Die Gründe, welche Clavius für die zyklische Rechnung anführt, sind folgende. [1]

1. Die wirklichen Bewegungen sind bald schneller bald langsamer, die mittleren dagegen gleichförmig; daher lassen sich nur mit Hilfe der letzteren leicht fassliche Regeln für die Bestimmung der Jahrpunkte und Neumonde aufstellen, ohne welche Irrtümer und Verwirrungen in der Zeitrechnung unvermeidlich sind. Es ist von keinem Belange, dass nur die wirklichen Bewegungen ihre Basis in den Himmelserscheinungen haben, die mittleren dagegen nur durch Abstraktion gewonnen sind, denn zu keiner Zeit war die Kirche an die strengen Gesetze der Bewegungen von Sonne und Mond gebunden, sondern für sie kommt es darauf an, in kunstloser, leicht fasslicher Weise ihre Zeitrechnung daran zu knüpfen; und nur darauf muss sie bedacht sein, dass unbeschadet dieses Gesichtspunktes dieselbe nicht allzu sehr von ihnen abweiche.

2. Die Berücksichtigung der wirklichen Bewegungen würde stets eine Quelle von Differenzen in Bezug auf die Feier des Osterfestes sein, denn da es keineswegs allgemein anerkannte astronomische Tafeln gibt — wie denn jetzt zwischen Alphonsinischen und Prutenischen ein Kampf besteht — so müsste sich durch die Benützung verschiedener Tafeln unabweislich hie und da ein verschiedener Osteransatz ergeben.


1 Cap. IV. Ecclesia cur posthabitis motibus veris apparentibusve medios tantum sive aequales aut potius cyclos in mobilium festorum celebratione usurpet