[487]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.5

denn auch die größte Fantasie kann über einen Gegenstand nur eine bestimmte Anzahl von Argumenten ins Feld führen, und dass in der Kalenderfrage die Einbildungskraft der Theologen Großes geleistet hat, wird sich schon aus den hier besprochenen Traktaten ergeben. Zur größeren Verständlichkeit mancher aufgeworfener Streitfragen habe ich es für nötig erachtet, auch kurz das Wesen der Reform selbst einer Betrachtung zu unterziehen, und die politischen Verhandlungen über die Kalenderangelegenheit flüchtig zu berühren. Zu letzterem habe ich umfangreiches Material des Haus-, Hof- und Staats - Archives in Wien benützen können. So sehr diese interessanten und bisher völlig unbeachteten Akten zu einer weitläufigen Bearbeitung verleiteten, so musste ich doch davon abstehen, da es nicht in den Rahmen der vorgesetzten Arbeit gehört.

I. Vorarbeiten und Publikation der Kalenderreform.

Trotz mehrfacher Aufforderung [1] hatte das Konzil von Trient keinen Beschluss über die Verbesserung des Kalenders gefasst, wohl aber hatte es in seiner letzten Sitzung am 4. Dezember 1563 dem Papste die Reform des Breviers und Missals aufgetragen, [2] und es lag nahe, dass bei der Ausführung dieses Kanons auch der Kalender mit einbezogen wurde, war und ist doch das Calendarium perpetuum ein Bestandteil des Breviers. In der Tat ist auch in der im Jahre 1568 erschienenen neuen Ausgabe desselben [3] eine Verbesserung am Kalender angebracht. Dieselbe besteht darin, dass man die Numeri aurei entsprechend dem damaligen Fehler des Mondzyklus um drei Tage zurückrückte und außerdem bestimmte, dass in je 300 Jahren ein Bissextus eingeschaltet werden solle. [4]


1 Vergl. meine Abhandlung: Die Vorgeschichte der Gregorianischen Kalenderreform. Wiener Sitzungsberichte. B. 82. pag. 402 u. ff.
2 Theiner, Acta Genuina concilii Tridentini, Tom. II. pag. 505.
3 Breviarium Romanum ex decreto concilii Tridentini restitutum Pii V, jussu editum. Rom. P. Madrucius 1568. (Ueber die weiteren Ausgaben vergl. Brunet, Manuel du Libraire.)
4 In dem Computus, welcher nach alter Sitte dem Brevier vorgestellt ist, und für den das Jahr 1568 als annus praesens gilt, findet sich folgende Stelle: "Verum, quia aureus numerus propter quasdam temporis minutias, quibus lunaris cyclus cum solari cursu non congruit, multis abhinc annis ad inveniendam novam lunam non deservit, nisi per quinque (sie) dies illis syllabis, in quibus est hic contentus. retrocedatur ab eo loco, ubi in calendario positus est, ideo ad eum reductus est locum qui diem conjunctionis lunae cum sole demonstrat. Ne autem in futurum, ut prius, a loco suo dimoveatur, singulis trecentis annis unus dies intercalandus crit, quod fieri incipiet MDCCC."