78Kaltenbrunner.[560]

Dies geschieht durch Reduktionszahlen, deren Reihe Germanus leicht aufstellen kann, indem er an der Hand der Prutenischen Tafeln berechnet, wann denn die Neumonde um l Tag im Kalender zurückgestellt werden müssen, nachdem sie bei der jedesmaligen Auslassung eines bissextus um einen vorgeruckt worden waren. Und nun hat Germanus nur jene Operation vorzunehmen, die schon im Jahre 1345 Johann v. Muris und Firminus de Bella Valle ausgehegt hatten. [1] Durch Addition von Reduktionszahlen und eventuell darauf folgende Subtraktion von 19 (wenn die Summe grösser als 30 wird) gewinnt er aus dem laufenden Numerus aureus des Jahres den die Neumonde anzeigenden für die einzelnen Äquationsperioden. Ein doppelter Unterschied aber besteht zwischen der Methode der Mathematiker des vierzehnten Jahrhunderts und Germanus. Erstere hatten die mittleren Umlaufszeiten angenommen, Hessen daher die Äquation jedesmal nach 310 Jahren eintreten, Germanus aber hat ungleiche Äquationsperioden, die nacli den Prutenischen Tafeln bestimmt sind; und dann hatten jene die Äquation sprungweise bald nach 310, bald nach 620 Jahren auftreten lassen müssen, weil sie eben nicht zu allen Tagen numeri aurei vorfanden, dem entgeht Germanus durch die angeführte Erweiterung der Zahlenreihe auf 30. Auf diese Weise glaubt Germanus vermeiden zu können, dass der Ostervollmond früher gesetzt werde, als ihn die Prutenischen Tafeln anzeigen und hat so allerdings die vier von Clavius angeführten Gattungen der Fehler des Gregorianischen Kalenders auf drei reduziert; aber um den Preis der Leichtfasslichkeit und Handsamkeit des Kalenders, so dass er denn doch eine Bedingung des Clavius nicht erfüllt, abgesehen davon, dass er den Prutenischen Tafeln absolute Gültigkeit beimisst.

In ganz eigentümlicher Weise geht Franciscus Vieta bei seinem Angriffe [2] vor.


1 Vorgeschichte der Gregorianischen Kalenderreform pag. 320 u. f.
2 Francisci Vietae Fontanensis libellorum supplicum in Regia magistri: Relatio Kalendarii vere Gregoriani ad ecclesiasticos doctores. Exhibita Pontifice Maximo Clementi VIII. Anno Christi 1600 Jubilaeo Parisii. Wie es scheint, wurden von diesem Buche zwei Ausgaben im selben Jahre gemacht, anders kann ich mir die Vorwürfe des Clavius und des Papstes Clemens nicht erklären. Diese nämlich behaupten, Vieta habe seinem Kalender die Bulle "Inter Gravissimas" beigefügt, beschuldigen ihn, er habe unter der Autorität des päpstlichen Stuhles eine neue Form des Kalenders einführen wollen und bezeichnen ihn daher geradezu als Fälscher. Das mir bekannte Exemplar der kgl. Bibliothek in Berlin besteht aus drei Teilen, entsprechend der Disposition Vietas; der dritte ist nun allerdings insofern selbstständig, als eine ganze Seite für den Titel: "Kalendarium Gregorianum perpetuum" verwendet ist, aber die Paginierung läuft durch und der Drucker (Jean Mettayer in Paris) nennt sich erst am Schlusse dieses dritten Teils und vorher nicht. Nach der Beschreibung dagegen, die Clavius von dem ihm zugegangenen Werke gibt, ist derselbe schon nach dem zweiten Teile angegeben und das Kalendarium perpetuum findet sich als Appendix, dem die Bulle Gregor XIII. vorgesetzt ist. Aus der Luft kann Clavius dies unmöglich gegriffen haben, seine und des Papstes Worte aber sind so deutlich, dass ein Irrtum kaum angenommen werden kann. Clavius erklärt es für ein unerhörtes Verbrechen des Vieta "quod Kalendarium illud suum seorsim sua auctorite excudendum curavit, iisdem omnino verbis, quibus Gregorianum anno 1582 in lucem auctoritate Pontificia prodiit, paucis quibusdam exceptis, quae videlicet aliena judicavit ab instituto suo, praeposita quoque ad auctoritatem Gregorii bulla, ut nimirum, qui libellum illum coemerint, eoque decepti atque adeo auctoritati Sedis Apostolicae paruisse videantur, cum tarnen, ut deinceps demonstrabo, nihil Gregoriano Kalendario magis adversetur." Und in dem Breve des Papstes vom 17. / 7. März 1603 heisst es: "Ac praecipue quidam Franciscus Vieta in tantam impudentiam pervenerit, ut Kalendarium quoddam a se compositum plenum erroribus et Gregoriano plene contrarium, Gregorianum tamen inscribere et edere ausus est, eique praedicti Gregorii praedecessoris literas emendationis et restituendi Calendarii praeposuerit, ut proposita palam veri specie falsae suae doctrinae venenum installaret."