[557]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.75

während die römischen Kalendermacher diese Periode, gestützt auf die Prutenischen Tafeln, zu 312½ Jahren ansetzten. Der zweite Punkt betrifft die Frage, ob es richtig sei, dass die luna XIV als Vollmond tauglich zur Ostergrenze angesehen werden dürfe. Bekanntlich war dies auch Gegenstand der Kontroverse in der alten Kirche, dort aus dem Grunde, um niemals Ostern mit dem jüdischen Pascha zusammenfallen zu lassen. Dies greift Scaliger wieder auf und kehrt allerdings nicht diesen Standpunkt hervor, macht aber dafür auf den inneren Widerspruch in der Osterregel aufmerksam: Ostern soll niemals am Vollmondstage gefeiert werden. Astronomisch ist aber sicher, dass erst 14 Tage nach Neumond (d. i. luna XV) Vollmond fällt; tritt nun an einem Samstag luna XIV ein, so ist der nächste Sonntag Ostersonntag; dieser fällt daher auf luna XV, d. i. auf den Vollmondstag. Auf den ersten Anblick kann man diesen Schluss gelten lassen; aber die mittelalterliche Osterregel, der auch der Gregorianische Kalender folgt, setzt nach dem Worte "Vollmondstag" die Worte: "d. i. luna XIV". Und in diesem Sinne, also mit der Wahrung des Althergebrachten, bekämpft auch später Clavius diese Conclusio des Scaliger, der übrigens — abgesehen von den Alten — in diesen Jahrhunderten nicht der erste ist, der diese Frage aufwarf; dies hat 100 Jahre früher schon Paulus v. Middelburg gethan. [1]

Durch die später zu besprechende Entgegnung des Clavius muss sich Scaliger verletzt gefühlt haben, denn noch einmal trat er gegen den Gregorianischen Kalender auf, gelegentlich seiner Ausgabe des Chronicon Eusebii. [2] Von dem maßvollen Tone, den er bisher dieser Frage gegenüber beobachtet hatte, ist nun keine Spur mehr vorhanden; eine Selbstkritik hätte Scaliger unbedingt zwingen müssen, jene getadelte "bäuerliche Ungezogenheit" der Literaten nun auch auf sich zu beziehen.


1 Vorgeschichte der Gregor. Kalenderreform pag. 383.
2 Thesaurus temporum Eusebii Pamphili Caesareae Palaeatinae episcopi. Lüttich 1606. Als Anhang: Isagogicorum chrononoligiae canonum libri tres, in quibus operis de Emendatione temporum doctrinae totius praecepta demonstrative traduntur ac multa praeterea hactenus non vulgata docentur. (Lib. III. handelt über den Kalender.)