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Die bisher betrachteten Angriffe der Mathematiker waren gegen das Wesen der Reform gerichtet; es machte sich bei ihnen ein prinzipieller Gegensatz bemerkbar, mit dem es kein Paktieren gab. Ganz anders ist dies bei den nun zu betrachtenden Schriften.Ihre Tendenz geht dahin, auf dem Boden der gemachten Reform stehend, dieselbe genau zu prüfen und Verbesserungen an derselben anzubringen, oder sie stellen — wenigstens das Prinzip beibehaltend — neue Korrekturen auf. Den Anfang hiemit macht ein Mann, der unbedingt einer der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit war, wenn er auch leider durch Überhastung das im riesigen Umfange zusammengetragene Material nicht immer richtig verwertete. Es ist Josef Scaliger, der in der Gelehrten-Welt jener Zeit fast unumschränktes Ansehen genoss, bis ihm in Dionysius Petavius ein überlegener Gegner erwuchs, der mit großem Scharfsinn, aber auch schonungsloser und zum Teil ungerechter Härte Blatt für Blatt aus dem Ruhmeskranze Scaligers vernichtete.

Im Jahre 1583 erschien zu Lüttich Scaligers großes Werk "De emendatione temporum", worin zum ersten Male der Versuch gemacht wird, systematisch die Zeitrechnungen der verschiedenen Völker miteinander zu vergleichen. Wie sich schon früher an solche chronologische Werke bei Paulus von Middelburg, Stöffler und Lucas Gauricas auch Betrachtungen über die Fehler des julianischen Kalenders und Vorschläge zu deren Beseitigung angeknüpft hatten, so behandelt auch Scaliger, dem hiefür ein reiches Material zur Verfügung stand, [1] diese Frage im vierten Buche. Auffallend ist es immerhin, dass Scaliger hiebei mit keinem Worte der Gregorianischen Reform Erwähnung macht, nachdem bereits 1578 das Liliosche Kompendium verschickt worden war. Aber Scaliger war Protestant und lebte in einem protestantischen Lande, und so ist es immerhin wahrscheinlich, dass Scaliger bei Abfassung dieses Teiles seines Werkes von den Plänen Roms noch nicht unterrichtet war. Es ist daher von Petavius nicht ehrlich, dass er bei der Bekämpfung alles dessen, was Scaliger gegen die Gregorianische Reform vorbrachte, auch diesen Teil seiner Schrift herbeizieht, [2]


1 So publizierte Scaliger ein Bruchstück aus dem Computus des Isaac Argyrus.
2 Doctrina temporum Tom. I. Lib. V.