[539]Die Polemik über die Gregorianische Kalenderreform.57

Weit gemäßigter und von andern Beweggründen ausgehend, urteilt um dieselbe Zeit Jacobus Cuno zu Frankfurt a./d. Oder über den Kalender. [1] Er meint, die Gregorianische Reform sei weder mit dem harten Tadel, noch mit dem unbedingten Lobe zu belegen; wie es bisher geschehen sei. Der Verfasser scheint Katholik zu sein, lebt aber in einem Lande, wo 1583 der neue Kalender noch nicht angenommen ist, und so ist er bestrebt, einen Mittelweg einzuschlagen. Er meint, das richtige Äquinoktium sei in der Weise zu berücksichtigen, dass man für eine lange Reihe von Jahren dasselbe aus den Prutenischen Tafeln berechnet, und nun jene Jahre des Bissextus beraubt, in welchen die Differenz zwischen Julianischem und Kopernikanischem Jahr wieder zu 1 Tag angewachsen ist; auf diese Weise würde das Äquinoktium vernum so ziemlich stets am 21. März haften bleiben, was es im Gregorianischen Kalender keineswegs tue. Ferner sollten die mittleren Ostervollmonde berechnet und benutzt werden, mit der Beschränkung, dass in den Fällen, wo diese auf den Tag des Äquinoktiums fallen, der astronomisch bestimmte Vollmond zur Osterberechnung verwendet werde. Diese beiden Angriffe konnten in ihrer allgemeinen Fassung dem Reformwerk nicht gefährlich werden und so blieben sie auch unbeantwortet. Bisher war man in eine sachliche Kritik nicht eingegangen; jetzt aber eröffnete jener Maestlin, von dem zuerst der allgemeine Angriff begonnen worden war, auch den Reigen der Mathematiker, und jetzt spielt die Polemik über aufs sachliche und wird ein Beitrag zur Gelehrtengeschichte jener Zeit. Nun verlassen wir auch den wüsten Schmähton, der bisher in so trauriger Weise vorgeherrscht hatte, und begegnen durchaus akademischen in lateinischer Sprache abgefassten Schriften. Sehr zart allerdings fassen sich auch jetzt die Gegner nicht an, doch dies ist ein Merkmal, das den polemischen Schriften aller Zeiten besonders aber jener Periode anhaftet. Maestlin hatte seine erste Schrift in ganz anderer Absicht verfasst als die jetzige. [2]


1 Theses de calendario Juliano, quo ecclesia nunc utitur viciato, ejusdemque restitutione. Frankfurt a./d. 0. 1583.
2 Die Schrift führt den Titel: Alterum Examen Novi Pontificalis Gregoriani Kalendarii, quo ex ipsis fontibus demonstratur, quod novum Kalendarium omnibus satis partibus, quibus quam rectissime reformatus vel est vel esse putatur, multis modis mendosum et in ipsis fundamentis vitiosum Bit. Tübingen 1586.