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Die erste brauchbare Formel neuerer Zeit hat der Berliner Professor Gauss († 1855) [1] im Jahre 1800 veröffentlicht, andere Piper a. a. O. S. 97 ff., O. Kaiser a. a. O. S. 24. Diese sind aber entweder umständlich oder leiden an dem Mangel, dass sie nur für eine beschränkte Zeit gültig sind. Auch entbehren sie meistens des Beweises. Unbewiesen und unbequem ist auch die Formel von Zeller (Mathemat. – naturwissensch. Mitteilungen I [Tübingen 1887], 2. Heft S. 56 ff.). Ich habe daher neue Formeln aufgesucht und überall die Ableitung beigefügt. [2] Darunter ist auch mein elementarer Beweis der Gaussschen Formel enthalten.

Gauss (a. a. O. S. 73) drückt sich ungenau aus , wenn er behauptet, er werde "eine von jenen Hilfsmitteln [goldenen Zahl, Epakte, Ostergrenze, Sonnencyklus, Sonntagsbuchstabe] unabhängige" Auflösung geben.; offenbar meint er, dass sein Verfahren die Tafeln mit den genannten technischen Mitteln sowie das Verständnis dieser termini technici überflüssig mache, was letzteres ja auch beim mechanischen Gebrauch von Tabellen der Fall ist. Auch bei blossen Rechenoperationen sind die gewöhnlichen Elemente nötig; die bei ihm der (21 + d)te März ist. Die Epakte zwar kommt bei ihm nicht vor, statt ihrer aber die auf den 21. März gestellte Clavis, die er mit d bezeichnet (wie wir es bisher getan). Man hat eben beim Aufsuchen der Ostergrenze die goldenen Zahl, die nie entbehrt werden kann, und daneben das eine oder andere Hilfsmittel, Clavis oder Epakte, nötig. – Überflüssig ist nur der Sonnencyklus und der Sonntagsbuchstabe, da auf andere Weise der Wochentag eines Datums oder speziell der Sonntag sich finden lässt.

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1 Es ist die berühmte "Gausssche" Osterformel, die Gauss publizierte in v. Zachs Monatl. Korrespondenz, 1800, August, dazu Ztschr. für Astronomie und verwandte Wissenschaften, von B. v. Lindenau und J. G. F. Bohnenberger, Bd. I (1816) S. 158; jetzt Gauss’ Werke VI S. 73 ff. und 82 ff. Gauss hat keinen Beweis mitgeteilt, sagt aber, dass er "auf Gründen der höheren Arithmetik" beruhe, wofür er sich noch auf keine Schrift beziehen könne. Daher haben andere den Beweis teils versucht und teils erbracht. Es ist eine kleine Literatur darüber entstanden; sie ist zerstreut verzeichnet bei Piper. Zur Kirchenrechnung (Crelles Journal für Mathematik XXII [Berlin 1841] S. 97f.; hier ist auch die Literatur aus der Zeit kurz vor Gauss berücksichtigt); Wolf, Geschichte der Astronomie (München 1877) S. 336; O. Kaiser, Beiträge zur Zahlenlehre und Chronologie II (Bielitz 1892) S. 29; Lersch, Einleitung in die Chronologie, II (Freiburg 1899) S. 102. Den hier genannten Werken ist noch beizufügen Schubring, Immerwährender Kalender (Giebels Ztschr. Für die gesamten Naturwissenschaften XXXVIII [Berlin 1871] S. 424 ff.), und A.Mayer, Hauptpunkte der christl. Zeitrechnung (Programm des Gymnasiums zu Metten, 1870/71) S. 35 ff.). Der Beweis wird für schwierig und weitläufig gehalten. So z. B. äussert Wislicenus, Der Kal. S. 55: "Ein Beweis ist für jemand, der nicht im mathematischen Denken geübt ist, nicht gerade leicht verständlich, weshalb wir diesen Beweis weglassen wollen." Praxmarer, Osterfest (Linzer theolog. Quartalschrift, 1906, S. 759): "die nähere Einsicht in diese Formel wird wohl nur einem mathematischen Genie, wie Gauss war, möglich sein." Rühl a. a. O. S. 233 spöttelt sogar über die Formel, als sei sie wertlos. Die bisher versuchten Beweise sind in der Tat ausserordentlich umständlich, zum Teil kaum verständlich und teilweise lückenhaft, wenn nicht gar falsch. Unsere Beweisführung, die wir oben geben werden, ist so elementar gehalten, dass zu ihrem Verständnis nur das arithmetische Rüstzeug eines Tertianers erfordert wird.
2 Sechs davon, darunter auch die Gausssche Formel, habe ich bereits in der Linzer theologischen Quartalschrift 1907, III. Heft veröffentlicht.