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Die vielen ärgerlichen, den Spott der Nichtchristen herausfordernden Streitigkeiten suchten viele Synoden, insbesondere die Konzilien zu Arles (314) und Nicäa (325), zu beseitigen. Bei diesen Einheitsbestrebungen tasteten sie das, was allen Parteien gemeinsam war, nämlich des Festes Abhängigkeit vom Frühlingsvollmond, nicht an, um durch diese rücksichtsvolle Nachgiebigkeit desto sicherer die so schwer herzustellende Eintracht der Christen in der Feier der höchsten Feste zu erzielen. Hierdurch ist es gekommen, dass sich die Beweglichkeit des Osterfestes seit jener Zeit bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Was speziell das Konzil von Nicäa betrifft, das jene Bestrebungen zusammenfassend ergänzte und zu einem gewissen Abschluss brachte, so sind wir über seine Tätigkeit in dieser Frage nur mangelhaft unterrichtet, da die überlieferten Konzilsakten gerade hierüber nichts enthalten. Soviel aber steht als sicher fest, dass dort der Bischof von Alexandrien beauftragt wurde, den Ostertermin zu berechnen und so frühzeitig dem Papst nach Rom zu melden, dass er von hier aus allen andern Kirchen angezeigt werden könne; schon elf Jahre vorher hatte in Bestätigung einer alten Gewohnheit die Synode von Arles dem Papst eine solche Mitteilung des Ostertermins zur Pflicht gemacht. Der Auftrag der nicänischen Väter beweist, dass nicht irgend eine Berechnungsweise - etwa die alexandrinische - vom Konzil auf Grund einer eingehenden Prüfung anerkannt und deren Anwendung allgemein vorgeschrieben wurde. Denn dann wäre ein solcher Auftrag höchst überflüssig gewesen, da jede Kirche ohne Mühe den richtigen Termin selbst hätte fixieren können. Andererseits liegt aber darin eine hohe Achtungserklärung der Väter vor der alexandrinischen Wissenschaft. Offenbar hielten sie auf Grund der von alters her in Ägypten blühenden Studien die Alexandriner für am besten zu derartigen mathematisch-astronomischen Berechnungen befähigt. Als nun später allmählich die alexandrinische Praxis überall vorgedrungen war, da konnten infolge dieses nicänischen Beschlusses Männer wie der hl. Ambrosius zu Mailand, Abt Dionysius Exiguus, Papst Hadrian I. und die meisten Chronologen bis auf unsere Zeit tatsächlich die Überzeugung haben, das Konzil habe sie zur allgemein verpflichtenden Norm gemacht. Aber gerade der weitere Wunsch der Väter, dass die Alexandriner das Resultat ihrer Berechnungen dem Papste frühzeitig mitteilen sollten, spricht klar dafür, dass mit der alexandrinischen auch noch andere Berechnungsarten in starker Konkurrenz blieben. In solchen Fällen nun, wo durch die verschiedenen Methoden differierende Ostertermine herauskamen, sollte nach dem Willen des Konzils der Papst entscheiden oder eine Einigung durch Verhandlungen herbeiführen. Dass dem so ist, zeigt mit der wünschenswerten Deutlichkeit die Geschichte des Osterstreites während des laufenden (vierten) Jahrhunderts. Denn in Streitfällen wurde oft eine Verständigung erzielt, indem bald die eine, bald die andere Partei nachgab. So opferte Rom seine Ostertermine im Jahre 330 (Ostern am 19. April statt 22. März), 340, 341; Alexandrien war nachgiebig z. B. im Jahre 333 (am 15. statt 22. April). Aber schon im Jahre 343 zeigten sich beide Parteien zäh, indem Ostern im Abendlande am 3. April, im Morgenlande am 27. März gefeiert wurde. Ohne Zweifel gab gerade diese Differenz der Synode zu Sardica (Herbst 343) Veranlassung, eine Verständigung für die nächsten 50 Jahre (344 - 393) zu vereinbaren. Infolgedessen nahmen die Alexandriner die römischen Osterdaten an in den Jahren 346 und 349, die Römer die alexandrinischen in den Jahren 352, 368, 371 usw.