- 12 -

α) Die einen, meist Römer, verlegten das Frühlingsäquinoktium und somit den frühesten Ostervollmondstag auf den 25. März (den von Julius Cäsar festgesetzten Termin des Frühlingsanfanges), die andern, meist Alexandriner, sich mehr der astronomischen Wirklichkeit nähernd, auf den 21. März, wieder andere auf den 18. oder 19. März.

β) Hinsichtlich des Zeitraumes des Osterfestes traten verschiedene Differenzen in die Erscheinung. Erstens durfte bei den Römern der Karfreitag niemals vor den 14. Nisan (Abend des Frühlingsvollmondes), somit Ostern nicht vor den 16. Nisan (Luna XVI) fallen, während die alexandrinische Kirche die Osterfeier an der Luna XV, d. h. an dem dem Frühlingsvollmond (Samstag) unmittelbar folgenden Tage nicht als anstössig betrachtete. Der Fall wurde dann praktisch, wenn der Vollmond am Samstag eintrat. Es ergab sich dann ein Unterschied von sieben Tagen in dem Termin des Festes. In dieser Frage unterwarfen sich allmählich die Occidentalen den Orientalen. Zweitens stritt man darüber, ob Ostern am Tage des Ostervollmondes selbst, wenn dieser Tag ein Sonntag wäre, zulässig sei; da nämlich mit dem Karsamstag das Fasten zu Ende ging - am Sonntag wurde nie gefastet. -, so hätte es im Widerspruch mit dem kirchlich-kanonischen Gebrauche vor dem Erinnerungstage der Leiden des Herrn, der ein Vollmondstag war, aufgehört. Daher verschob man in einem derartigen Falle im Abendlande die Feier auf den folgenden Sonntag; die Alexandriner feierten aber anfänglich am Vollmondstag, während sie später der Anschauung des Abendlandes sich fügten. In den ersten Zeiten wurde also Ostern in Rom am 16.-22. Tage des Mondmonates (Luna XVI - XXII), in Alexandrien am 14. - 20. Tag (Luna XIV - XX) gefeiert. Die schliessliche Einigung führte zur Feier an Luna XV - XXI.

Übrigens änderte man in Rom mehrmals die dem Osterfest gewährte Zeitdauer; anfangs war sie am kürzesten, vom 25. März bis 21. April. Weshalb gerade dies Schlussdatum genommen wurde, ist nicht recht klar.[1] Dann wurde vom Jahre 343 ab die Zeit erweitert vom 22. (zuweilen gar 21.) März bis 21. April und noch später bis zum 24. April. Die Alexandriner hatten schon früher den auch heute noch massgeblichen Zeitraum vom 22. März bis 25. April.

γ) Den stärksten und am längsten währenden Zwiespalt verursachte die Bestimmung des Ostervollmondstages. Am einfachsten wäre es gewesen, den Eintritt des Vollmondes jedesmal rein empirisch durch unmittelbare Beobachtung festzustellen. Ursprünglich geschah es auch so bei den Juden. Aber bald genügte diese Bestimmungsart nicht mehr, da es im Interesse der sicheren und allseitigen Regelung des Gottesdienstes nötig wurde, für eine längere Reihe von Jahren im voraus den Festtermin zu kennen. Dieses Bedürfnis hatten schon die Juden zur Zeit Christi.


1 Sicherlich war das nicht grundlos. Viele, wie z. B. Ideler, Chronologie II 266, nehmen an, dass man sich in Rom scheute, das Osterfest dem 21. April folgen zu lassen, damit das Gründungsfest der Stadt (Parilia, 21. April), wobei es nach Art der heutigen Fastnachtafeier lustig herging, nicht in die zur Trauer und Busse mahnende Karwoche falle. Ausserhalb Italiens, namentlich im Orient, wo das genannte Fest nicht heimisch war, bestand natürlich diese Rücksichtnahme nicht.