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als möglich, alle Zeitrechnung mit dem bürgerlichen Jahresanfang zu beginnen 1). Die Zählung der Mondjahre bei den Computisten lässt also je nach dem Zusammenhange, auf den wohl zu achten ist, eine doppelte Deutung zu. Ein sehr verständiger Glossator Beda's 2) unterscheidet deshalb in der Enneakaedekaëteris "anni secundum lunam", d. h. österliche Mondjahre und "anni secundum solem", d. h. dem bürgerlichen accommodierte Mondjahre. Ich werde im weiteren Verlaufe jene mit anni cycli decennovennalis, diese mit numerus aureus bezeichnen 3).

Es erübrigt zu beweisen, dass bei gleicher Ordnungszahl im 19jährigen Zyklus das österliche Mondjahr gegen 9 Monate früher beginnt als das accommodirrte. Für Beda wird sich dies bei der Berechnung der Embolismen ergeben. Hier wähle ich einige Stellen aus dem Computus des Anonymus von 810 4). Wenn es dort heißt: "anno decenn. I ... a XV luna praeteriti festi paschalis usque ad XIV sequentis, id est a XVI (korr. XIV) kal. mai. usque in non. apr., quia annus communis est, sunt dies CCCLIV", so ist mit dem ersten Datum doch offenbar der Tag nach dem terminus paschulis num. Aurei XIX, mit dem zweiten der term. num. aur: I bezeichnet, und so durch alle Jahre hindurch. Oder: "si vis scire quibus annis noni decimi circuli martio mense XIV luna paschalis incurrat (welche zuvor als letzter Tag des Mondjahres angegeben ist), hoc est anno II, V, VII" u. s. w., was ebenfalls nur richtig ist, wenn a. c. decenn. I gesetzt wird = num. aur. XIX ⁄ I 5).


1) L. c. 189: "aliis aptius multo et expeditius videtur, ut computatio omnis, quantum non necessitas rationis obsistat, a principio anni sui etiam apud Romanos incipiat et usque ad terminum anni ratio atque intemerato ordine procurrat".
2) Der Glossator der Melker Handschrift, dem ich das Kalendarium Autissiod. entnehme.
3) Wie auch schon Petavius getan hat, de doctr. temp. l, 304. - Doch hat er selbst oft den Unterschied übersehen, was ihm z. B. von Jan I. c. 204 eine derbe Rüge zuzieht.
4) Muratori anecdota ex Ambros. Bibl. codicibus III, 87, 103.
5)

Die falsche Auffassung, dass das österliche Mondjahr um mehrere Monate später als das accommodierte beginne, finde ich auch in L'Art de vérifierles dates (edit. III, Paris, 1783) partie I, pag. XXV, wo von Urkunden die Rede ist "où ce cycle de 19 ans commence avec le mois de janvier et d'autres avec le mois de mars ". Dass das der folgende März sei, soll aus dem Datum einer dem Januar angehörigen Urkunde gefolgert werden: "a. ab inc. dom. 1027, circ. lunae II, ind. XI, epacta XXII, concurrens B. 1 ", was offenbar 1027 more Gall. sei, also = 1028 = num. aur. III, statt dessen noch II stehe, weil die Zahl erst im März umsetze. Aber wie wollen die Verfasser dann die Epakte XXII erklären, die doch nur zum n. aur. III passt? Es liegt viel näher, hier einen Rechen- oder Schreibfehler anzunehmen. -Wenn dort weiter angeführt wird, dass in einem MS. stehe : "muta cyclum decemnovalem in kalendis martii ", so stimmt das ungefähr mit der von mir beigebrachten Stelle des Computus von 1143, lässt aber noch ganz unentschieden, ob diese Epoche im Verhältnis zu der des Julianischen Jahres anticipando oder postponendo aufzufassen ist.

Auch Böckh in den epigraphisch-chronolog. Studien (Jahrb. Für class. Philologie, Suppl. II, 1856/7) p. 133 scheint das Verhältnis falsch aufzufassen. Gerade das Gegenteil von dem, was dort über den gewöhnlichen Alexandrinischen Osterkreis gesagt wird, glaube ich von dem in diesen Punkten ganz gleichen Dionysisch-Bedaischen Zeitkreise sagen zu können, nämlich, dass dieser nach Julianischen Jahren angesehen mit einem Gemeinjahr beginnt, dem ein embolistisches folgt, dass er aber in der ursprünglichen nicht akkommodierten Form mit zwei Gemeinjahren beginnt und mit einem Schaltjahre schließt.

Für eine Stelle Beda's, an der schon vielfach herumgedeutet worden ist, nämlich de temp. ratione cap. 56 (Vergleichung des cyclus lunaris mit dem decennovennalis) mag hier noch eine Erklärung in Vorschlag gebracht werden. Richtig und anderen Stellen entsprechend ist die Differenz in den Ordnungszahlen zwischen beiden Zyklen auf 3 angegeben, also lunaris l = decenn. IV. Wenn aber letzteres Jahr bezeichnet wird als von kal. jan. bis XIII kal.jan. laufend, so passen diese Monddaten doch nur auf num. aur. III, oder auf das 3. accommodierte Mondjahr. Wie kann nun Beda dasselbe als 4. und dem entsprechend alle folgenden zählen? Ich meine zunächst hat Beda die richtigen Gleichungen, wie sie Dionysius gibt, im Sinne, welche die in das 3. accommodierte Jahr fallende luna XV des 14. April als Anfang des nicht akkommodierten a. decenn. IV = lun. I setzt. Indem er nun "quod Dion. in mense paschali, in januario facere" will, geht er noch drei Monate vor die österliche Epoche zurück (statt neun vorwärts), und vergisst die Ordnungszahlen demgemäss um eins zu verringern.