Vorbemerkung

Der christliche Kalender, nach dem wir das kirchliche wie das bürgerliche Leben zeitlich ordnen, ist seiner vornehmsten Bestimmung nach Festkalender. Je nachdem der Jahrestag eines Festes sich verschiebt oder unverändert bleibt, zerfallen die Feste des Kirchenjahres in zwei. Gruppen, in bewegliche und unbewegliche. Jene richten sich nach dem Osterfeste, das nicht bloss selbst wieder von dem wechselnden Frühlingsvollmond abhängig, sondern auch an den zeitlich stets wandelnden Sonntag gebunden ist. Aber auch die unbeweglichen Feste, deren Jahrestag stets derselbe ist, stehen im Bannkreise des Ostertages, da von diesem aus Schlüsse auf den mit dem Sonntag wechselnden Wochentag am leichtesten möglich sind.[1] Schon diese flüchtigen Hinweise zeigen, dass Ostern Zentrum und Ausgangspunkt des christlichen Fest- und Jahreskalenders ist; es ist die Grundlage, auf der sich das ganze Gebäude des Kirchenfestjahres aufgebaut hat. Mit Recht nennt daher die Kirche im Martyrologium die Osterfeier solemnitas solemnitatnm, sagt der heilige .Papst Leo d. Gr. (Sermo 47): "In omnibus solemnitatibns christianis non ignoramus paschale sacramentum. esse principinm." Es erhellt ferner, wie wichtig die richtige Bestimmung des Osterdatums für das kirchliche und bürgerliche Leben sowie für die chronologische Festlegung historischer Tatsachen ist. Ostern ist so zu sagen der geometrische Ort, von dem aus die für die Historiker oft so hochwichtigen Datumsprobleme erschlossen werden können.

Ob dieser nach allen Seiten hohen Bedeutung des Osterfestes beschäftigte man sich in früherer Zeit, wo unsere bequemen Kalender und bis ins einzelne gehenden kalendarischen Tabellen noch unbekannt waren, viel und eifrig mit der Bestimmung seines jährlich wechselnden Termins und des Datums der von ihm abhängenden Feste; eine derartige Festberechnung nannte man "Computus" (Berechnung) und die Leute, die sich dieser Arbeit widmeten, "Computisten". Den Geistlichen des Mittelalters, denen vorzugsweise die Pflege der Wissenschaft oblag und die ja schon durch ihren Beruf an einer festen Gottesdienstordnung am meisten interessiert waren, wurde eine derartige Beschäftigung nachdrücklichst empfohlen oder gar zur Pflicht gemacht.


1 Hierauf beruht mein "Immerwährender Kalender" (Strassburg, Selbstverlag 1906). Er gibt auf sehr kleinem Raum 1. die Osterdaten von 1 vor Chr. bis 2135 nach Chr. (von 1583 ab julianisch und gregorianisch), mit Benutzung dieser Termine 2. die Daten der übrigen beweglichen Feste, 3. die Wochentage aller Jahresdaten, dazu ein nach Jahrestagen geordnetes Heiligenverzeichnis (Kalendarium der gewöhnlichen Art) und eine genaue Übersicht über die Zeit der Einführung des gregorianischen Kalenders.