Zweiter Teil.

Technische Bestimmung des Osterfestes

In der Vorschrift, dass Ostern gefeiert werde am Sonntag nach dem Vollmonde, der zuerst im Frühling eintritt, sind drei Zeitangaben enthalten: der Frühlingsanfang, der erstmalige Eintritt des Vollmondes im Frühling, ein Wochentag, nämlich Sonntag. Da der Frühling nach der Praxis der alexandrinischen Festrechnung stets am 21. März beginnt, so braucht dies Datum nicht mehr gesucht zu werden. Dagegen bedürfen die beiden anderen Angaben für jedes Jahr einer speziellen Berechnung. Somit kommen, wie schon der geschilderte Osterfeststreit zeigt, hierbei in Betracht:

  1. der Eintritt des Ostervollmondes, dessen Datum kurz Ostergrenze (terminus paschalis) genannt wird;
  2. der Wochentag der Ostergrenze, aus dem sich unmittelbar das Datum des Ostersonntags ergibt.

Demgemäss ist zuerst die Fixierung der Ostergrenze, sodann das Auffinden ihres Wochentages zu besprechen.


I. Bestimmung der Ostergrenze.

1. Mit Hilfe der goldenen Zahl.

a) Im julianischen Kalender.

Der Bestimmung der Ostergrenze dient ein technisches Mittel, das "goldene Zahl" genannt wird.
Das (tropische) Jahr[1] hat 365,2421996 Tage = 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 46 (genauer 46,04544) Sekunden, daher 19 Jahre 6939,6017924, abgerundet 6939,6018 Tage. -


1 Man unterscheidet ein siderisches Jahr und ein tropisches Jahr. Ersteres ist die Zeit, innerhalb deren die Erde (scheinbar die Sonne) in ihrem Laufe durch die Sternbilder (sidera) des Tierkreises zu ihrem Anfangspunkt zurückkehrt; es geschieht das in 365,2563578 Tagen = 365 Tagen 6 St. 9 Min. 9,31 Sek.; diese Dauer ist konstant. - Das tropische Jahr, von dem allein im Folgenden die Rede ist, ist die Zeit, innerhalb deren die Sonne von der Frühlings- Tag- und -Nachtgleiche zu derselben zurückkehrt. Die Dauer des tropischen Jahres wird übrigens von den Astronomen und Chronologen verschieden angegeben, wiewohl die Differenz winzig klein ist. Es hat nämlich das Jahr Tage
365,23925nachPhilo,
 239319"Abbategni,
 242424"dem altpersischen Kalender,
 24252"den alfonsinischen Tafeln,
 242184"Lersch,
 242187"Lalande,
 242201"Newkomb,
 2422086"Olufzen,
 242217"Bruhns,
 242222"Knobloch und Heis,
 24224"v. Schmöger,
 2424537"Lescovier.

Die Dauer des tropischen Jahres nimmt allmählich ab und zwar beträgt die Verminderung jährlich 0,000000062124 Tag = 0,0053675 Sekunde. Berechnet man etwa die Länge des Jahres für 1850 auf 365,24219987 Tage = 365 Tage 5 St. 48 Min. 46,069 Sek. (s. Plassmann, Himmelskunde [Freiburg 1898] S. 239). so findet man die Dauer irgend eines Jahres Z, wenn man vor dem Jahre 1850 zu der angegebenen Länge 0,0053675 (1850 - Z) Sek. addiert, nach 1850 davon 0,0053675 (Z - 1850) Sek. subtrahiert. Der Unterschied beträgt in 100 Jahren 0,53675 Sekunde, in 1000 Jahren 5,3675 Sekunden, in Million Jahren 5367,5 Sekunden = 1 St. 29 Min. 27,5 Sek. Wir haben oben als Mittel die Länge von 365,2421996 (abgerundet 365,2422) Tagen genommen.